Panel-Diskussion zum Thema Medicine gets personal: gene-based therapies for a new era in treatment?

Am 11. Februar 2016 veranstalte die Einstein-Stiftung unter Beteiligung der Berliner Krebsgesellschaft eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zur Zukunft der personalisierten Medizin Es diskutierten: Nobelpreisträger Bruce Beutler aus Dallas (USA), Einstein Visiting Fellow Hans Schreiber (Univerity of Chicago/Charité), Einstein Professorin Angelika Eggert (Charité), Pathologe Manfred Dietel (Charité), Nikolaus Rajewsky (Max Delbrück Center für Molekulare Medizin) und Erwin Böttinger (Vorstand des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung).

Prof. Dr. Hans Schreiber erforscht an der Universität Chicago eine neue Immuntherapie gegen Krebs. Im Interview erklärt der Einstein Visiting Fellow, wie durch einen personalisierten Transfer von T-Zell-Rezeptoren Tumore künftig geheilt werden könnten.

Herr Professor Schreiber, Sie wollen das Immunsystem zur Krebsbekämpfung einsetzen. Wie optimistisch sind Sie, dass das gelingen wird?

Da bin ich sehr optimistisch. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich mit T-Zellen, also Immunzellen, und Krebs. Was wir herausgefunden haben ist, dass T-Zell-Rezeptoren die spezifischen Mutationen eines Tumors erkennen können. In Mäusen haben wir gesehen, wie selbst große Tumormengen sprichwörtlich vor unseren Augen zerfallen. Die Tiere waren anschließend gesund. Ich bin zuversichtlich, dass diese kurative Methode auch bei Menschen erfolgreich sein wird.

Nun hat das Immunsystem aber vorher offenbar versagt, sonst wäre es doch gar nicht erst zum Tumorwachstum gekommen.

Das ist wahr. Das Immunsystem hat deswegen versagt, weil es darauf programmiert ist, die Tumorzellen für körpereigene Zellen zu halten. Genau bei diesem Irrtum der Natur setzen wir an.

Mit welchen Tricks?

Wir entfernen die T-Zellen-Rezeptoren dieser erfolglosen Immunzellen und klonen sie. Mit diesen klonierten Rezeptoren modifizieren wir dann noch unverbrauchte Immunzellen, so dass diese den Krebs erkennen und angreifen können.

Das hört sich nach einer durch und durch personalisierten Therapie an.

Personalisierter geht es kaum. Wir wissen schon seit mehreren Jahrzehnten, dass jeder Tumor seinen eigenen Fingerabdruck hat. Selbst bei ein und derselben Diagnose gibt es große genetische Unterschiede. Und die hinterlassen jeweils andere Produkte auf der Zelloberfläche – das sind unsere Targets.

Die Angriffsziele müssen Sie aber erst ermitteln, um die Immunzellen darauf ansetzen zu können?

Genau. Im Moment versuchen wir, patienten- und krebsspezifisch Mutationen zu identifizieren, die vom Immunsystem angegriffen werden können. Im Vergleich zu früher ist das relativ einfach geworden. Einmal, weil Sie heute für weniger als 5.000 Dollar in wenigen Tagen sämtliche Mutationen für einen Patienten auf dem Tisch liegen haben. Zum anderen können wir mit unserer Window-Chamber-Methode Krebszellengewebe erstmals über einen längeren Zeitraum am lebenden Organismus beobachten. Damit können wir genau sehen, was die T-Zellen mit dem Krebs machen und sowohl die für das Krebswachstum entscheidenden Mutationen als auch die geeigneten Rezeptoren identifizieren.

Wo ist der Unterschied zu personalisierten Krebsmedikamenten, die es heute schon gibt?

Jeder Krebs hat nicht nur andere Mutationen, sondern sogar scheinbar gleiche Mutationen sind nicht identisch. Schon eine Aminosäure kann einen großen Unterschied machen. Im Grunde müssten sie für jede eine andere Chemikalie entwickeln. Wenn man sieht, wieviel in chemische Inhibitoren bereits investiert wurde, ist relativ wenig Substanzielles dabei herausgekommen. Das menschliche Immunsystem hat dagegen in Millionen von Jahren gelernt, diese feinen Unterschiede zu erkennen. Deshalb glaube ich, dass der mutationsspezifische T-Zell-Rezeptor-Transfer ein sehr eleganter und logischer Ansatz ist, zumal er so gut wie keine Nebenwirkungen macht. Im Übrigen gibt es Hinweise, dass die moderne Immuntherapie mit Checkpoinkt-Inhibitoren deswegen so gut beim Melanom funktioniert, weil der Patient seine T-Zellen gegen die Mutation des Tumors aktiviert.

Wann glauben Sie, wird Ihre Methode erstmalig an einem Patienten eingesetzt?

Vermutlich innerhalb der nächsten zwei Jahre. Und wissen Sie wo?

Bei Ihnen in Chicago?

Nein, in Berlin! Die Einstein-Stiftung hat mich mit den Berliner Forschern zusammengebracht, die am Max-Delbrück-Centrum-für Molekulare Medizin und der Charité auf diesem Gebiet großartiges leisten Die Kollegen Blankenstein und Uckert um nur zwei zu nennen, sind führend im T-Zell-Rezeptor-Transfer. Sie packen die Rezeptoren in einen Vektor und setzen sie wieder in die T-Zellen ein. Ich bin unglaublich froh, dass wir erstmals produktiv in einem Konsortium zusammenarbeiten können, um diese Therapie der Zukunft mit der Unterstützung des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung voranzubringen.

Wenn Sie von Therapie der Zukunft sprechen, welchen Zeitraum haben Sie vor Augen?

Meiner Meinung nach wird der personalisierte T-Zell-Rezeptor-Transfer in 50 Jahren eine geläufige Krebstherapie sein. Sehr wahrscheinlich wird es aber bedeutend schneller gehen.

Interview: Beatrice Hamberger

 

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